
Miesenheim/Region. Viele Mandatsträger aus Bund und Land haben am Parteitag des FDP-Bezirksverbandes Koblenz im Bürgerhaus Miesenheim teilgenommen. Unter den Gästen war auch Rainer Brüderle, ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr und daneben auch Vorsitzender des FDP-Landesverbandes, zählte zu den Gastrednern.
Den Parteitag eröffnete der stellvertretende FDP-Bezirksvorsitzende Sven Schillings. Er wies darauf hin, dass sich Deutschland momentan in schweren Zeiten befinde. Lösungen müssten für mehrere Probleme gefunden werden. Als Problemfälle nannte er die Inflation, die Energiekrise, die Verschuldung, den Krieg in Europa und die überbordende Bürokratie.
Die Mayen-Koblenzer Kreisbeigeordnete und Andernacher Kommunalpolitikerin Judith Lehnigk-Emden richtete ihren Blick in die Ukraine, wo vor einem Jahr der russische Überfall begann. Etwa 3000 Flüchtlinge seien inzwischen im Landkreis untergekommen. Allerdings würden die Flüchtlinge die Politik vor immer größere Schwierigkeiten stellen. Kitaplätze, Schulplätze, Sprachkurse müssten organisiert werden, und es werde immer schwieriger, geeigneten Wohnraum zu finden. Den Kommunen würden die nötigen Mittel fehlen, um in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. „Viele kommunale Politiker fühlen sich vom Land im Stich gelassen“, sagte die FDP-Politikerin.
Ein Gastredner war der scheidende Andernacher Oberbürgermeister Achim Hütten. Er pflichtete Lehnigk-Emden hinsichtlich der Finanzproblematik der Kommunen bei. So habe die Stadt Andernach zwar in den vergangenen Jahren ihr Eigenkapital von 80 auf 120 Millionen Euro erhöht, aber dennoch habe er keine Hoffnung, dass der Andernacher Haushalt bei einem Fehlbetrag von mehr als 6 Millionen Euro genehmigt werde. Hütten widersprach den Kritikern der Bundesregierung. Immerhin sei es der Ampelkoalition innerhalb kürzester Zeit gelungen, einen potenziellen Gasengpass durch den Bau von LNG-Terminals zu verhindern. Zudem gebe es für die Ukraine menschliche und wirtschaftliche Hilfe sowie militärisches Gerät. Nebenbei habe die Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geschaffen. Als „verkehrspolitische Revolution“ bezeichnete Hütten die Einführung des 49-Euro-Tickets.
Bundesminister Volker Wissing sparte in seiner Rede nicht mit Kritik an den Grünen. Er erinnerte daran, dass die Bahn Strecken zurückgebaut habe, was heute zu Engpässen im Güterverkehr und zu Zugverspätungen führe. Für Wissing ist vor allem eine Planungsbeschleunigung bei der zentralen Infrastruktur notwendig. Gerade mit Blick auf den Verkehr auf den Straßen würden aktuelle Studien aussagen, dass sich der Güterverkehr bis zum Jahr 2050 um gut 300 Milliarden Tonnenkilometer erhöhen werde. Damit Waren nicht irgendwann endlos im Stau stehen und zu spät an ihrem Ziel ankommen, seien Investitionen in die Straßen notwendig.
Dass die Grünen dies anders sehen, kritisierte Wissing, indem er sagte: „Der Kampf der Grünen gegen die Straße ist ein Kampf gegen den Industriestandort Deutschland.“ Kritik gab es auch zu den Positionen der Grünen hinsichtlich Energieversorgung und Mobilität. Wissing äußerte Unverständnis darüber, dass sich die Grünen nur auf Elektroautos konzentrieren würden und andere Technologien nicht in Betracht zögen. Da im Jahr 2050 wohl noch über die Hälfte der zugelassenen Autos einen Verbrennermotor haben würden, stellte er die Frage, wie die Grünen ihre Ziele erreichen wollten.
Ein Verbot von Verbrennermotoren lehnt Wissing ab. „Wir sind nicht angetreten als Lehrer des Volkes, sondern als Diener des Volkes“, erklärte er dazu. Außerdem unterstrich er die Wichtigkeit des Autos, da es gerade Menschen auf dem Land Mobilität ermögliche. Auch den Krieg in der Ukraine sprach Wissing an. So habe Putin nicht die Ukraine überfallen, da die Nato eine Gefahr für ihn darstellte, sondern weil die dort gelebte Demokratie gefährlich für ihn sei. Wissing äußerte, der Angriff sei „ein Überfall auf die freie Welt, auf die Art zu leben, wie sie uns wichtig ist“.
Zum Abschluss seiner Rede kritisierte er den Ratschlag, dass die Menschen in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage „verzichten“ sollten. Dies sei an der Realität vorbei, da es auch einige Menschen gebe, die schon vorher kaum über die Runden gekommen seien. Im Anschluss gab es Beifall im Stehen für Wissing.
Die Liberalen behandelten während ihres Parteitages mehrere Anträge. Auf Antrag des Kreisverbands Ahrweiler wurde beschlossen, dass die FDP das Landesprogramm „Aufbau Ahr – Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal“ unterstützt, dabei soll eine Verlängerung des Programms gefordert werden. Stattgegeben wurde einem Dringlichkeitsantrag des Kreisverbands Westerwald. So wurde beschlossen, dass die FDP alle politischen Aktivitäten unterstützt, die eine Umsetzung des Verbots von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten verhindern sollen.
Auf Antrag des Kreisverbands Koblenz sprach sich der Parteitag dafür aus, geplante Bahnhaltepunkte in Koblenz wie im Verwaltungszentrum oder in Horchheim zu unterstützen. Außerdem sollen die Gemeinden in der Nähe in einem 30-Minuten-Takt an den Koblenzer Hauptbahnhof angeschlossen werden. Beschlossen wurde außerdem ein Antrag des Bezirksvorstands mit dem Titel „Reorganisation der Patientenversorgung im nördlichen Rheinland-Pfalz mit dem Schwerpunkt der Neugliederung der stationären Versorgung“. Die FDP fordert darin die Umsetzung verschiedener Vorschläge. Dazu zählen die Sicherstellung schneller Krankentransporte bei lebensbedrohlichen Verletzungen angesichts möglicher Klinikschließungen und die verstärkte Erprobung von Telemedizin. Außerdem solle ein Gutachter beauftragt werden, der einen Vorschlag zur Neustrukturierung des Krankenhauswesens im Großraum Koblenz erarbeitet. Kostenreduzierungen sollten genutzt werden, allerdings nur, wenn dadurch nicht die Qualität der Gesundheitsversorgung beeinträchtigt werde.
Originaltext/Quelle: https://www.rhein-zeitung.de/